TANKA-AUSWAHL MAI 2022
Redaktion: Valeria Barouch & Tony Böhle
Christof Blumentrath
ich warte daraufdass meine Hand sich bewegtbeflügelt vom Duftdes frisch gespitzten Bleistiftsund deiner Kaffeekreation
Reiner Bonack
AUS DEN TÜREN SCHWÄRMTEN WIR,Spatzen stoben davonEin gelber Ball – unsre SonneVerstummt sind die Höfe,komm, ich friere, ins Haus
NACH DEN NACHRICHTENstülpte ich mirKopfhörer überDoch die Musik kam nicht angegen die Bilder
WAS IST GLÜCK, VIELLEICHTim Teeglas etwas Mondlicht,das ich trinke, auf der Terrasse,spät, am Abend,ganz langsam
Brigitte ten Brink
ein schwarzes Lochaus dem nun Dämonenkriechendie verpasste Gelegenheitmich mit dir zu versöhnen
dein Anruf heutepustete ein wenigZauberstaubüber meine kleinevon Covid begrenzte Welt
Ralf Bröker
im gleißenden Lichtder Märzsonne fliegt sieihrem Ziel entgegendie Kugel desBoulespielers
der wolkenlose Himmelüber den Weizenfeldernnie war er so blauwie heute, am Tagnach dem der Schnitter kam
Stefanie Bucifal
jedes Wort von dirleg ich vorneund hinten auf die Zungeist es süßist es bitter
Skype-Anrufauf der dunklen Seiteder Erdeerleuchtet ein Displaydein Gesicht
Morgen-Meditationenein schwarzer Schwungüberm Iris-Blausie kalligraphiertihren Lidstrich
ein frisches Hemd, der Duftvon Bügelwäschebeinahe spür ich deine Handwie sie das Eisenüber Brust und Rücken führt
Beate Conrad
Leicht ängstlich der Blickwährend der Fahrt zur Arbeitauf die Benzin-App –Ansage im Radio:Blutreserven werden knapp.
Frank Dietrich
das Lächelndas ich abfinggalt einem anderendas Stirnrunzelnnur mir allein
ich weißdass ich träumedie Mienenmeiner toten Freundeverdunkeln sich
der Klang des Muschelhornsetwas andersals erwartetich kalibrieredas Blau meiner Sehnsucht
vertieftin die Welt der Bilderfolge ichdem Jungen der ich wardurchs Fotoalbum
ihre SMSso kühl und sachlichganz anders als der Sexden wir hattenund nie mehr haben werden
Gabriele Hartmann
ein fremder Herrzieht den Hut, neigt den Kopfzeigt Glatze, grüßt –und endlich erkenne ich dichan deiner Stimme!
tief ins alte Holzschneiden wir am Hochzeitstagwohl wissenddass milder Frühlingssonnemanch kalte Nacht folgen wird
Birgit Heid
Warteschlangevor dem Orthopädiegeschäftdoch mein Rezeptträgt nichts als eineUnterschrift
Plakate klebenfür eine Gedichtaktion,auch der Winterwindspielt gernmit Worten
Deborah Karl-Brandt
Kalte NächteEin Stapel Feuerholzneben dem SchlafsackUnterhalb der Brückeerklingt Radiomusik
Eva Limbach
auf diesem Sesselhast du mir von deinemLeben erzählt...ich habe ihn weitergegebenan meinen Ältesten
Horst Ludwig
Wie späte Nebelsich aus dem Tal aufrollenlangsam auf uns zugewaltsam, wie wer's nimmerhätt' erwarten wollen
Conrad Miesen
Zeit der Kalkanten.Ging einem die Puste aus,quietschte die Orgel –Statt Johann Sebastiandann nur noch Höllenklänge.
Wolfgang Rödig
Gespanntes Lauschen.Interessanter als sonstdie sonntägliche Predigt,garniert mit Kommentarendes aufgeweckten Mädchens.
Marie-Luise Schulze Frenking
die alte Damekann mit ihrem Rollatornur mühsam gehendoch trägt sie immer noch Rougeund ein Lächeln im Gesicht
am Morgen der Duftaus der Tür der Bäckereimacht im Vorbeigehnein warmes Gefühl im Bauchund Appetit aufs Leben
Angelica Seithe
Wintertief –die Heimat meines Herzensein Igelhausbewohnt und warm untermSommerlaub deiner Worte
Ander Ski
AnEinAnderEs lag am Wind, dassdie Zweige sich berührten,der Baum treibt nuralles auseinander, ach lassuns einen Wind aufkommen
Friedrich Winzer
unwillkürlichhalte ich die Luft anbis sie auftauchtaus dem wirbelnden Bachdie Wasseramsel
aufgehobendas Telegramman die Frontmit Mutters Nachrichtvon meiner Geburt
einfachnur dasitzenund wartenbis die Sonne den Schattenüber mich schiebt
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