TANKA-AUSWAHL MAI 2023
Redaktion: Tony Böhle & Birgit Heid
Reiner Bonack
GEGENÜBER,auf dem Nachtschrank,neben dem leeren Bett:die Kopfhörer,der angebissene Apfel
11 JAHRE ALT,geboren nach demzweiten großen Krieg,spielten wirKrieg
Brigitte ten Brink
mal klar dann im Dunstder den Blick verschleiertliegt das Tal vor mirdurch karge Berglandschaftsteige ich vorsichtig ab
Ralf Bröker
wie sie jetzt andere blendetda ich sie links liegen lasselinks der Autobahnder großen Stadt entgegendie Morgensonne
Stefanie Bucifal
ich hab dich nienach diesem Wort gefragtes nie beansprucht –wie werden wir nundas Ende nennen
Frank Dietrich
als wäre ichvor lauter Grübelnzu Stein erstarrteine Spinneseilt sich von mir ab
über Sonnenblumenhabe ich nichts mehrzu sagenvan Goghhat sie alle gepflückt
auseinandergelebt …mir istals sähe ich dichdurchs falsche Endeeines Teleskops
dieses Gefühl wenn die Füßeins Watt einsinkenich weiß nichtwo ich aufhörewo das Meer anfängt
die Schnur des Luftballonsentwischt meiner Handich greife nach ihrvergeblich … so schnellwar die Kindheit vorbei
das winzige Fensterder Ausnüchterungszelleheute Nachtist der Mondaus Beton
Claus-Detlef Großmann
Fahles Reihenhausmit Kurzhalmrasenan diesem SpätwinterabendIn der Hosentaschetaste ich nach dem Schlüssel
Gabriele Hartmann
mit prallen Tütenkomm’ ich nach Hausedoch erst bei deinemwir müssen reden … schaltenmeine Synapsen auf Blaulicht
der Vollmond pulsiertin unseren Aderntrunken vor Glücknehmen wir den Schleichwegüber die Milchstraße
Deborah Karl-Brandt
Erinnerungenein Stück blaue Seide gepresstzwischen den SeitenGealtert wie guter Weindieser Schmerz
Carl Achim Königsberg
spüre den Wind im Haarblicke vom Schattenuferhinüber ins Licht –eben noch ... war ich ein Kindjetzt ... bin ich ein alter Mann
Cornelia Rossberg
Seine Schritteein bisschen zu lautin der Stille des Museumswie ein Sträfling dreht er die Rundengefangen in der Kunst
Peter Rudolf
Im Winterist der zweite Sohn ausgezogen.Der Frühlingssturm –Schnee liegt schon lange nicht mehr –wirbelt die alten Blätter auf.
Dyrk-Olaf Schreiber
Raben auf weißem Ackersie suchen etwasendlich finden sie sichzu einem Bildund fliegen auf und davon
Angelica Seithe
dein Wortein Steinwurf ins WasserWellenringe wachsenbenetzen die trockenenRänder meiner Gedanken
Friedrich Winzer
Vollzugsanstaltlautlos überwindet erdie Mauerund begibt sich zur Ruheder Abendschatten
dreißig Jahrekeine Pfeife gerauchtdoch manchmalschnüffle noch den Duftder alten Tabaksdose
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