FLUG
Beate Conrad
Wer will beantworten, ob sich einer in die Lektüre vertieft oder die Lektüre in ihn. Es begab sich einfach, daß die Buchstaben verschwanden und das ganze Buch nur noch ein Blatt war, das langsam Fahrt aufnahm. Es hob vom Schreibtisch ab. Erst ging es sanft und dann immer schwungvoller um die Zimmerecken, zum Fenster und schon hinaus. Kein Schwung der Arme oder Beine war erforderlich, denn der Leser war der ins Papier Vertiefte, das segelnde Blatt Papier daselbst.
Also verharrt wer und malt ein Lied lachend ins Weiß die Stimmen wie sollte es anders sein von überall und doch sein
Was passierte, wenn eine sehr heftige Windböe das Blatt erfaßte oder es gegen etwas flöge, das es aufspießte? Oder das Papier gar ganz zerriß? Doch kein Gedanke, denn alles, was der im Papier Vertiefte sah, das war zugleich er selbst. So konnte und würde ihm gar nichts passieren. Alles war ja immer er, der ihm begegnete, nur in verschiedenen Gestalten und doch derselben. Eben der, der er immer war. Derartig ruhig, harmonisch und frei waren seine Bewegung und der Wandel seiner Gestalt, aller Gestalt.
wendet sich um und kehrt zurück durch das offene Fenster an seinen Schreibtisch.
Sicher, dieses Buch ist schon geschrieben und würde zugleich nie fertig. Denn ganz gleich wie sein Name, trägt der darin Vertiefte doch die ganze Welt mitsamt dem Universum unter seinem Haarschopf. Und so spürt er sie in seinen Fingern, während er schreibt. Wie er und sie langsam in der Tinte dahinfließen. Von Augenblick zu Augenblick. Immerdar. Doch das verstehen die Erwachsenen nicht. Denn die brauchen immer wieder Erklärungen. Selbst für das Offensichtlichste und Unmittelbarste, wofür es keine Worte gibt. Er wußte es schon immer.
* Antoine de Saint Exupéry
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