HÖHERE OPERATIONEN
Beate Conrad
das kindliche Denken, seine Vorstellungen von dem, was ist, und sein Handeln ist ein anderes. Ich schnitt aus Altpappe Kärtchen. Damals waren die regulären Bahnfahrkarten noch recht klein. Einfache Hartpappstreifen. Zweifarbig. Blass. In eingestanzten Lettern stand das Reiseziel. Oben und unten noch ein paar Nummern. Der Schaffner pflegte zur Kontrolle dort ein Loch hineinzuknipsen.
Scanner, Bar- oderQR-Codes, Tags, und gar erstdas Smartmobilphonenoch kaum vergegenwärtigtErfindungen der Zukunft
wollte ich nicht nur selbst gern sehen, sondern auch anderen das doch so vergnügliche Reisen durch die weiten Ebenen, durch sanfte oder weniger sanfte Erhebungen schmackhaft machen. Das war mein Spiel. Meine Bahnfahrkarten gestaltete ich natürlich etwas bunter. Ganz wie ihre ausgewiesenen Reiseziele es versprachen. Wie geheimnisvoll diese Orte in meinen Kinderohren klangen. Ihre Schriftzüge übten eine magische Anziehung aus, ― so malte ich sie ab.
Eine Fahrkartenach Köln, natürlich, zum Domvielleicht auch nach Romund auch eine nach Frankreichwas natürlich gar nicht ging.
Das versuchte mir meine erste Kundin an meinem improvisierten Bahnschalter ganz mütterlich wohlwollend zu erklären. Verstanden hätte ich es wohl, wäre das Verhältnis von Teil und Ganzes und das Konzept von klassifizierenden Ober- und Unterbegriffen in meinem Kopf damals schon sortiert abrufbar gewesen.
Zwei Bälle in der Luftein Kreis wo sie sich schneideneinfach ein WunderFelder in der Ebenedas Weltbild eines Kindes
Naja, einfache Geographiekenntnisse hätten wohl schon ausgereicht. Doch auch meine räumliche Orientierung erstreckte sich damals auf das, was ich sah. Wo ich mich gerade bewegte. Was ich erlebte, anfasste und so begreifen konnte. Aber meine Phantasie, die raste kreuz und quer und spielte mit allem, was ich so aufschnappte.
[zurück]