WILDE IRIS*
Gabriele Hartmann
Blaue Berge und grünes Wasser – ich blättere von hinten nach vorne durch Four Seasons at the Nezu Museum. Eine Freundin hat mir das schmucke Büchlein* geschenkt. Welch
Überraschungdem Band entströmt der Duftvon Sandelholz
In das titelgebende Grün mischen sich kontrastierende Nuancen. Kunst und Pflanzen – namentlich Iris, Bambus, Glyzinie und Ahorn – treten visuell miteinander in Dialog. Kurze Textpassagen heben wesentliche Details hervor. Gelegentlich verleiht ein Tanka den überbordenden Bildern Tiefe.
auch auf dieser Reiselehne ich dann und wann den Kopfan deine Schulter
Laternen und Statuen verführen zum Schweigen. Trittsteine geleiten am Wasserfall vorbei hinauf zum Teehaus. Schließlich empfängt mich
Stilleunter Moos geborgenatme ich Spuren der Zeit
* Ich habe die Redaktion gebeten, mein Haibun "wilde Iris" in seiner Form so zu veröffentlichen, wie ich den Satz gestaltet habe: Zeilenumbrüche (vor Überraschung bzw. vor Stille) und Leerzeilen (nach Überraschung bzw. nach Stille) zum Tanka hin; die beiden Tanka selbst: zersplittert, der Mittelteil zudem als Schluss des ersten und als Beginn des zweiten zu lesen (Scharnierfunktion). Ein Rücklink (atme > Duft) vervollständigt mein Experiment... Ich finde, das Haibun (als Genre) kann mehr sein als "Prosa & jap. Lyrik". Dieser Versuch: wenn nicht auf "einunddreissig.net" – wo sonst?
[zurück]