ZEITRÄUME
Beate Conrad
"Ihr kennt das sicher noch aus Kindertagen. Meine Instrumente sind ebenfalls einfachster Art, also Dosen, Schachteln und alles, was sonst geht", erklärt uns die Künstlerin. "Ich baue sie selbst und bringe sie an geeigneten Orten möglichst unauffällig an."
Das lässt sich von der begehbaren Kammer nicht behaupten. Sie ist jedoch aus Teilen eines alten Hochsitzes am Waldrand selbst umgebaut worden. Wir ersteigen die paar Holzsprossen. Oben auf dem Absatz ziehen wir unsere Schuhe aus. Nachdem sich die Tür hinter uns schließt, stehen wir im Dunklen. Unsere Augen gewöhnen sich nur langsam an das uns ganz umfangende Schwarz. Dann sehen wir einen mickrigen Lichtstrahl aus einer Wand treten, der gemächlich auf der ihm gegenüberliegenden Wand ein Bild wie von ungefähr streut. Das steht schwächlich auf dem Kopf. Zu hellerer Zeit träte es sicher deutlicher hervor. Wir hören aber auch, dass die Künstlerin mit Belichtungszeiten von zwei Tagen bis zu einem Jahr arbeitet und sogar noch längere Zeiträume einzufangen weiß.
Zu Allerseelendieses Grau auf den Feldernjedoch beständigwie Lichtpunkt um Lichtpunktein Stück vom Himmel gebiert
Schnelle Bewegungen lassen solche Bilder nicht mal erahnen. Alles darauf erscheint gleichmäßig unscharf. Selbst bei diesem Kammerbild tritt durch die gleichmäßig verteilte Schärfentiefe die räumliche Wahrnehmung zurück.
Nicht bloß fürs Augedie Suche nach der Essenzwo Jahreszeitenwieder und immer wiedersich mischen und vergehen
Sorgfältig schließen wir die Tür der Camera Obscura und klettern die paar Sprossen wieder hinab. Im Dunklen alles, was bleibt, wenn der Moment geht.
[zurück]