DAILY SOAP
Tony Böhle
Eingeschlagenin die ganze Wärme deshiesigen Dialektsreicht der Gemüsehändlermir den Lauch herüber.Etwas verspätet…so wie gewöhnlich.Deine Entschuldigunghauchst du mir entgegen mitdem Duft von Zitronenbonbons.Der Frühling ist da!Unsichtbar den Augenhat er begonnenmit einem Hauch Chloé,den dein Hals verströmt.Mein Spiegelbilderblicke ich beiläufigin deiner Sonnenbrillemit den weißen Gesteneines Pantomimen.Vielleicht deine Artzu sagen "Käufliche Dingehaben keinen Wert!":Das zerkratzte iPhone,an deiner Handykette.Sorgfältig prüfendbetrachte ich dein Regal.Das Buch"Sei Pippi, nicht Annika"erscheint mir darin neu.Das letzte Wan-Tanwill keiner von uns nehmen…Und so landet esschließlich im Abfalleimeram Ende dieses Abends.Im Dämmerlichtleuchten leicht verzögertdie Laternen auf…Ein Abend, der beginnt wieeine Liebeserklärung!Achtzehnuhrfünfzig,die Haustür springt ins Schloss.Damit sie wirklichdraußen bleibt, die Welt, dreh‘ ichden Schlüssel zweimal herum.Sonntagmorgensin Shirt und Jogginghoseauf dem Weg zum Bäcker.Was für eine Sorglosigkeit michda auf einmal überkommt!Auf Spotifytippen meine Finger Buena VistaSocial Club…Der Duft frisch geschälterOrangen haftet noch an ihnen!"Eigentlich bist duein verzauberter Ferrari…"raune ich meinemFiat 500 zunach der gelben Ampel.Begierig wartend,die Fadheit meines Lebenszu übertünchen,steht die Ketchup-Flaschesignalrot auf dem Tisch.Mit dem nüchtern-distanzierten Ausdruckeines Modelsstehen sie in Pose:Lilien im Schaufenster."Montage sind blau!"In der Hoffnung irgendeinermeiner Sätzekönnte Sinn ergeben,schreib‘ ich eine lange Mail.Voller Abscheu vordem Wort "Freund" seife ich michin der Dusche ein,als wollte ich einenfauligen Geruch loswerden.Die Nachbarstürschließt sich mit einem WHOOOMM!!! stattdes normalen KLACKs…Ein Sonntagabendthriller,der keine Bilder braucht.Damit du mehrden Mann in mir erkennst undweniger den Freund,treffe ich dich heute mitDreitagebart und Lederjacke.Noch ganz im Bannder Liebesverstrickungendeiner Daily Soap,registrierst du keinemeiner zaghaften Avancen.Unsere Blickeprallen auf dieselbeFlasche Wein:Der eine sieht nur den Rausch,der andere den Morgen danach.Mein Finger zeigt dirden Schützen, der am Himmelseinen Bogen spannt,doch irgendwie treffenmeine Worte nicht ins Ziel.Über mein Warten,dass der richtige Moment kommt,dich zu küssen,verperlen langsamdie Bläschen im Aperol Spritz.Das Feuerwerkvorbei… doch setzt sichdas Funkelnnoch ein wenig fort in denGesichtern des Publikums.Mit was für einemTatendrang mich derSonnenaufgang erfüllt...Doch erscheint er mir ganz nutzlos,heute, an meinem freien Tag.Am Ende sind auch sienur ein ganz normales Paar!So betrachte ichMutter, Vater mit meinen23 Jahren noch einmal neu.Weißt du es noch:in der Bahnunterführung,als unsere Blickesich trafen und der Bodenplötzlich zu zittern begann?Rücken an Rückenmit ausgestreckten Beinensitzen wir im Gras.Die Blicke bereits gewendetin verschiede Richtungen.Gegen die erstenSymptome des Herbsts reich‘ ichdir meine Jacke.Könnte diese Geste auchdein Herz etwas erwärmen?Ein Schnappschuss,der dein Lachen festhielt,doch nichts von dem,was dich glücklich sein ließ,jenen Tag am Strand mit mir.Für die Extrastunde,die mir der letzte Sonntagim Oktober schenkt,finde ich keine Verwendung……keine, nicht eine, nicht die kleiste.Ist da kein Weg zurück,einfach nur zwei Freunde zu sein?In einer Eckemeines Zimmers sitze ich,den Rubik-Würfel in der Hand."Wer ist der Nächste?"frage ich die Gummibärchenauf dem Tisch vor mir.Ich will ein Leben, mit nichtsals süßen Entscheidungen!
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