Tanka-Sequenz: Daily Soap - Einunddreißig - Das Forum für Tanka

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DAILY SOAP
Tony Böhle

Eingeschlagen
in die ganze Wärme des
hiesigen Dialekts
reicht der Gemüsehändler
mir den Lauch herüber.

Etwas verspätet…
so wie gewöhnlich.
Deine Entschuldigung
hauchst du mir entgegen mit
dem Duft von Zitronenbonbons.

Der Frühling ist da!
Unsichtbar den Augen
hat er begonnen
mit einem Hauch Chloé,
den dein Hals verströmt.

Mein Spiegelbild
erblicke ich beiläufig
in deiner Sonnenbrille
mit den weißen Gesten
eines Pantomimen.

Vielleicht deine Art
zu sagen "Käufliche Dinge
haben keinen Wert!":
Das zerkratzte iPhone,
an deiner Handykette.

Sorgfältig prüfend
betrachte ich dein Regal.
Das Buch
"Sei Pippi, nicht Annika"
erscheint mir darin neu.

Das letzte Wan-Tan
will keiner von uns nehmen…
Und so landet es
schließlich im Abfalleimer
am Ende dieses Abends.

Im Dämmerlicht
leuchten leicht verzögert
die Laternen auf…
Ein Abend, der beginnt wie
eine Liebeserklärung!

Achtzehnuhrfünfzig,
die Haustür springt ins Schloss.
Damit sie wirklich
draußen bleibt, die Welt, dreh‘ ich
den Schlüssel zweimal herum.

Sonntagmorgens
in Shirt und Jogginghose
auf dem Weg zum Bäcker.
Was für eine Sorglosigkeit mich
da auf einmal überkommt!

Auf Spotify
tippen meine Finger Buena Vista
Social Club
Der Duft frisch geschälter
Orangen haftet noch an ihnen!

"Eigentlich bist du
ein verzauberter Ferrari…"
raune ich meinem
Fiat 500 zu
nach der gelben Ampel.

Begierig wartend,
die Fadheit meines Lebens
zu übertünchen,
steht die Ketchup-Flasche
signalrot auf dem Tisch.

Mit dem nüchtern-
distanzierten Ausdruck
eines Models
stehen sie in Pose:
Lilien im Schaufenster.

"Montage sind blau!"
In der Hoffnung irgendeiner
meiner Sätze
könnte Sinn ergeben,
schreib‘ ich eine lange Mail.

Voller Abscheu vor
dem Wort "Freund" seife ich mich
in der Dusche ein,
als wollte ich einen
fauligen Geruch loswerden.

Die Nachbarstür
schließt sich mit einem WHOOOMM!!! statt
des normalen KLACKs…
Ein Sonntagabendthriller,
der keine Bilder braucht.

Damit du mehr
den Mann in mir erkennst und
weniger den Freund,
treffe ich dich heute mit
Dreitagebart und Lederjacke.

Noch ganz im Bann
der Liebesverstrickungen
deiner Daily Soap,
registrierst du keine
meiner zaghaften Avancen.

Unsere Blicke
prallen auf dieselbe
Flasche Wein:
Der eine sieht nur den Rausch,
der andere den Morgen danach.

Mein Finger zeigt dir
den Schützen, der am Himmel
seinen Bogen spannt,
doch irgendwie treffen
meine Worte nicht ins Ziel.

Über mein Warten,
dass der richtige Moment kommt,
dich zu küssen,
verperlen langsam
die Bläschen im Aperol Spritz.

Das Feuerwerk
vorbei… doch setzt sich
das Funkeln
noch ein wenig fort in den
Gesichtern des Publikums.

Mit was für einem
Tatendrang mich der
Sonnenaufgang erfüllt...
Doch erscheint er mir ganz nutzlos,
heute, an meinem freien Tag.

Am Ende sind auch sie
nur ein ganz normales Paar!
So betrachte ich
Mutter, Vater mit meinen
23 Jahren noch einmal neu.

Weißt du es noch:
in der Bahnunterführung,
als unsere Blicke
sich trafen und der Boden
plötzlich zu zittern begann?

Rücken an Rücken
mit ausgestreckten Beinen
sitzen wir im Gras.
Die Blicke bereits gewendet
in verschiede Richtungen.

Gegen die ersten
Symptome des Herbsts reich‘ ich
dir meine Jacke.
Könnte diese Geste auch
dein Herz etwas erwärmen?

Ein Schnappschuss,
der dein Lachen festhielt,
doch nichts von dem,
was dich glücklich sein ließ,
jenen Tag am Strand mit mir.

Für die Extrastunde,
die mir der letzte Sonntag
im Oktober schenkt,
finde ich keine Verwendung…
…keine, nicht eine, nicht die kleiste.

Ist da kein Weg zurück,
einfach nur zwei Freunde zu sein?
In einer Ecke
meines Zimmers sitze ich,
den Rubik-Würfel in der Hand.

"Wer ist der Nächste?"
frage ich die Gummibärchen
auf dem Tisch vor mir.
Ich will ein Leben, mit nichts
als süßen Entscheidungen!
Herausgeber:
Tony Böhle
Bernsdorfer Str. 76
09126 Chemnitz
Deutschland
Redaktion:
Tony Böhle
Valeria Barouch
Birgit Heid
Mail: einsendung@einunddreissig.net
(C) 2025. Alle Rechte bei Tony Böhle und den AutorInnen.
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