Tanka-Sequenz: Strelitzien auf Madeira - Einunddreißig - Das Forum für Tanka

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STRELITZIEN AUF MADEIRA
Carl Achim Königsberg

unverhofft kommt der
Schwenk zum Landeanflug
auf Funchal Airport –
wie Zugvögel im Herbst fliegen
wir der Sonne hinterher …

monoton rattert
das leere Gepäckband seit
einer gefühlten
Ewigkeit hell beleuchtet
der ›Lost-and-Found-Schalter‹

in der Ferne der
Monte im strahlenden
Frühlingsmorgen –
im sonnigen Garten
Handtücher auf den Liegen

das Glas in der Hand –
die Poncha glänzt dichter
dunkler vom Zwielicht
der untergehenden
Sonne über dem Meer

eine Strelitzie
steht einsam im wilden Grün –
so wie ich sie im
Blumenladen damals für
Muttertag immer kaufte

das Meer leckt und leckt
am schwarzen Vulkangestein
es springt … kommt an Land –
ich setze Fuß vor Fuß und
das Meer löscht meine Spuren

über unzählige
Serpentinen fahren wir
an der Steilküste
hoch … vom Plateau aus der Blick
auf gelben Saharastaub

nach dem Mittagessen
trinken wir mit dem Kellner
einen Madeira –
voller Stolz erzählt er von
Großvaters Weinbergen

die Köchin faltet
ihre Schürze … legt den
Löffel beiseite –
sehnsuchtsvoll singt sie ihren
›Fado‹ im Altstadtlokal …

hier am langen Strand
unaufhörlich schneeweiße
Wellenberge –
wenn das Meer sich zurückzieht
murmelt es mit den Kieseln

Arbeiter rauchen
noch eine Zigarette
vor dem Fabriktor
nieselt Maischeregen durch den
Dampf des Schornsteins nieder

schon ist es ohne
dass wir es bemerkten
dunkel geworden –
durch das Fenster leuchten die
Straßenlaternen am Monte

über dem Monte
liegt der Nebel der immer
die Lavadas füllt –
dreimal ertönt das Schiffshorn
während der Hafenausfahrt

nahtlos hebt sie ab
schwebt steil den Wolken
entgegen –
wie Zugvögel im Frühling
fliegen wir wieder zurück

Herausgeber:
Tony Böhle
Bernsdorfer Str. 76
09126 Chemnitz
Deutschland
Redaktion:
Tony Böhle
Valeria Barouch
Birgit Heid
Mail: einsendung@einunddreissig.net
(C) 2023. Alle Rechte bei Tony Böhle und den AutorInnen.
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