Rezension: Csárdás - Einunddreißig - Das Forum für Tanka

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CSÁRDÁS EINE REZENSION
Rüdiger Jung

"Zum Titel" seines neuen Gedichtbandes (der wie alle bisher vom Tanka bestimmt und geprägt ist) schreibt der Autor: "Ungarischer Nationaltanz, begleitet von Roma- und Sinti-Musik." (S. 4) Reisen führten ihn – neben Ungarn – auch "durch das niederländisch-flämische und französische Sprachgebiet (Wallonien, Frankreich, Nordafrika)" (S. 47). Die Standort-Bestimmung des Dichters ist von den großen Franzosen des 19. Jahrhunderts (Baudelaire, Rimbaud, Verlaine) vorgezeichnet:

wer im Schatten steht,
wird nicht vom Licht geblendet,
sieht manches schärfer. (S. 20)

Neben Reise- und Naturgedichten fallen besonders jene ins Auge, die an Persönlichkeiten erinnern, die dazu beitrugen, dem Kurzgedicht nach japanischem Vorbild in unserer westlichen Literatur eine Gasse zu bahnen: Horst Hammitzsch (S. 10), Bart Mesotten (S. 35), Elisabeth Gallenkemper (S. 26).
Pflanzen erfahren eine poetische Zueignung:

Hätte ich es zu bestimmen,
wäre sie die Königin
in diesem Garten.
In ihrer schlichten Anmut
hielte sie Hof in weiß.

Kosmee (Cosmos bipinnatus). (S. 6)

Am frühen Morgen
die taubenetzten Blüten
der Päonien
in ihrer reifen Fülle
im Garten meiner Liebsten. (S. 5)

Die Empfindung, die eine Pflanze weckt, kann dabei – der Situation nach – durchaus schillernd sein:

Päonien erinnern
mich an alte Zeiten,
an Wärme und ein Glück
mit unbeschwerten Kindern.
Der Garten längst verwaist... (S. 22)

Auch "Cypraea cumingi astarya" bekommt eine eigene Widmung:

Halte den Kosmos
in meiner zitternden Hand.
Etwa drei Gramm nur,
geborgen aus tiefer See'
wiegt das Häuschen der Schnecke.

Tiefseeschnecke. Vorkommen bei den Marquesas Inseln. (Zu Frankreich gehörend: Îles Marquises. (S. 14)

Zeichnet eines die Gedichte Rainer Hesses in besonderer Weise aus, so ist es seine Zuwendung zur Kreatur. Da kann es um Dromedare gehen (S. 18), um Spatzen (S. 21) und – genau so gut – um Krähen (S. 43).
Es ist dieser franziskanische Ton, der den Leser für sich einnimmt – und ebenso an Albert Schweitzers "Ehrfurcht vor dem Leben" wie an den großen Haijin Issa Kobayashi gemahnt:

Habe den Igel,
der aus dem Winterschlaf kam,
von Zecken befreit.
Als Lohn und Dank bekam ich
ein Dutzend Flöhe in bar.

Oh, hätte ich doch
dem einzigen Gast bei Tisch,
der Stubenfliege,
etwas übrig gelassen
in meinem Ouzo-Gläschen!

Ein feiner, leiser Humor, der manchmal mit Parallelwelten spielt:

Der rote Drachen
im dunklen Museumslicht
ist ungefährlich.
Erhaben geschnitzt ruht er
auf einem Teller der Ming. (S. 34)

Rainer Hesse: Csárdás. Literareon im utzverlag, 2021. 48 Seiten. ISBN 978-3-8316-2299-3.
Herausgeber:
Tony Böhle
Bernsdorfer Str. 76
D-09126 Chemnitz
Redaktion:
Tony Böhle
Valeria Barouch
Mail: einsendung@einunddreissig.net
(C) 2021. Alle Rechte bei Tony Böhle und den AutorInnen.
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