Playlist (Gabriele Hartmann) - Einunddreißig - Das Forum für Tanka

Direkt zum Seiteninhalt
PLAYLIST. TANKA
Gabriele Hartmann

Tony Böhle: Playlist. Tanka von Tony Böhle mit Illustrationen von Valeria Barouch. Frankfurt a. M.: edition federleicht 2020. 79 Seiten, 18,00 EUR. ISBN-13: 978-3-946112-00-0.


Eine Rezension
Mein Mann bringt die heutige Post, wiegt einen mit Noppenfolie gefütterten Umschlag bedeutungsschwer in seiner Hand, überreicht ihn mir mit einer respektvollen Verneigung, einem angedeuteten Nicken – er hat den Absender bereits entziffert, ahnt, da ist ein Buch drin. Ich weiß, da ist das Buch drin: PLAYLIST, Tanka von Tony Böhle.
Ungeduldig zerren meine Finger am Papier, endlich halte ich es in der Hand: Kein DIN-Format – genauso wie ich es vom Verlag edition federleicht, FFM, kenne und erwarte. Schlank, hoch, soft, 84 Seiten, Fadenbindung, mit eingeschlagener Klappe vorn und hinten. Außergewöhnlich – wie die Aufmachung – auch das Cover: schwarz mit leuchtenden Farbspuren die sich über Vorder- und Rückseite ziehen: Lichtmalerei von Valeria Barouch. Der Titel PLAYLIST in akzentuierten, farblich abgestimmten Buchstaben. Der Klappentext: ein Ausschnitt aus der Rezension von Martin Thomas, die ich bereits auf „einunddreissig.net“ gelesen habe. Dort werden Kapitel-Überschriften und Tanka zitiert, Tonys literarisches Werk beleuchtet, die Lichtmalerei Valerias beschrieben. Eine Huldigung an beide Personen, an beider Kunst, an das gemeinsame Werk.
Zuerst: ein Inhaltsverzeichnis, danach: Tonys Vorwort. Es informiert über die Gattung Tanka als Literaturphänomen und listet gelungene Tanka der Weltliteratur auf. Ein Literaturverzeichnis vervollständigt die Übersicht. Man erkennt: Tony ist es daran gelegen, sein Bild vom Tanka in die Welt zu tragen: "Eines jedoch ist es nie: eine blutleere Hülle aus 31 Silben."
Das Nachwort von Christian Skrey widmet sich dem Autoren, der Gattung Tanka und – ausführlich – Tonys Tanka. Dahinter beschreibt Valeria ihre Lichtmalerei. Verweist darauf, dass es dem Leser und Betrachter überlassen bleibt, Bild und Tanka zu vereinen.
Darauf komme ich zurück. Nochmal einmal werden die Protagonisten vorgestellt, dann folgt das Verlagsverzeichnis, aus.
Jetzt! denke ich und beginne, die Seiten 17 bis 63 zu inspizieren. 29 Seiten mit Tanka (jeweils 3 pro Seite), 10 Seiten Lichtmalerei. Köstlich: Tonys farbige Worte, delikat: Valerias sprechende Farbspuren. Ich schwelge in opulenten Bildern, seien sie im Tanka besungen oder in Farbe gegossen. Ich sehe Tony, den König und Valeria, die Zauberin, strahlend vor mir: changierend zwischen kesser Kunst und charismatischer Aura. Permanent höchste Qualität erringend, immer mindestens zwei Finger auf dem ultimativen Drücker.
Von Tony habe ich gelernt, dass es im Tanka keine "dritte Person" geben sollte. Und tatsächlich finde ich ihn selbst in jedem einzelnen seiner Tanka, ob er nun das Ich konkret benennt oder das lyrische Ich seine eigen(-artig)e Sichtweise darstellen lässt. In der anderen Waagschale allenfalls ein zweites Wesen: meist (s)eine Frau. Tonys Tanka fehlt jegliche Distanz. Sie sind so persönlich, so gefühlvoll, dass man sich fast ein wenig schämt, sie überhaupt lesen zu dürfen:

umfasst behutsam
ein angeschlagenes Ei
mit beiden Händen ...
selbst als kinderlose Frau
trägst du diese Liebe in dir!

Und als gleichgewichtiges Pendant zu Tonys schwerelos schwebenden Versen: Valerias zauberhafte Lichtmalerei!
Was den Betrachter tief berührt, ist eine ungeheure Spannung aus leuchtend farbigen Spuren – bei zwei Werken gespiegelt und abermals gespiegelt zum symmetrischen Vierteiler –, welche im Stil einer Collage mit Symbolen bestückt sind.
Woran erinnern mich diese Bilder bloß? Ach ja, ich weiß schon woran: an japanische Holzschnitte von Kiyoshi Hasegawa! Ein perfekt gelungener Brückenschlag zum modernen Tanka: progressiv und klassisch zugleich.
Wer mehr lesen möchte, sei verwiesen auf Tonys Vorwort, Christian Skreys Nachwort, die Rezension von Martin Thomas und natürlich auf Tonys Tanka selbst in PLAYLIST.

Herausgeber:
Tony Böhle
Bernsdorfer Str. 76
09126 Chemnitz
Deutschland
Redaktion:
Tony Böhle
Valeria Barouch
Birgit Heid
Mail: einsendung@einunddreissig.net
(C) 2023. Alle Rechte bei Tony Böhle und den AutorInnen.
Zurück zum Seiteninhalt