EIN KOMMENTAR ZU EINEM TANKA VON EVA LIMBACH
Tony Böhle
das junge Mädchenbergauf mit dem sperrigenLastenfahrradwie viele Möglichkeitenwaren uns damals offen
Was wäre, wenn...? Vielleicht ist das nur eine Frage für Kinder und Philosophen, doch hat sie uns nicht schon alle einmal beschäftigt? Gerade aus diesem Grund hat mich das Tanka von Eva Limbach auf vielerlei Weise fasziniert und gleichermaßen berührt. Das lyrische Ich beobachtet ein junges Mädchen, das sich mühsam mit einem Lastenfahrrad bergauf quält. Auch wenn die näheren Umstände unerwähnt bleiben, impliziert die Beschreibung als "das junge Mädchen" einen Altersunterschied zum lyrischen Ich. Und man ist verleitet zu spekulieren, ob das offenbar ältere lyrische Ich auf derselben Straße mit einem SUV unterwegs ist, um die eigenen Lasten zu transportieren. So ergibt sich durch vage Andeutungen schon ein großes Spannungsfeld, da in unserer zunehmend polarisierten Gesellschaft sowohl Lastenfahrräder als auch SUVs zu Kampfbegriffen geworden sind. Stadt gegen Land, Jung gegen Alt, alternative Lebensmodelle gegen traditionelle.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Fortsetzung der beiden letzten Zeilen des Tanka, die eine innere Reflexion des Beobachteten aufzeigen. Die Fragen danach, welche Möglichkeiten dem lyrischen Ich selbst einmal offenstanden, lässt ganz verschieden Interpretation zu. Ist es das Unverständnis über die Wahl des Lebensmodells eines jungen Mädchens, das nicht dem eigenen entspricht. Die Frage warum man sich so Abmühen möchte, wenn es heute einen anderen Weg gibt, der (heute) allen offensteht. Das Unverständnis, weshalb jemand Möglichkeiten ablehnt, die man selbst nicht hatte oder für die man hart kämpfen musste. Vielleicht auch die Überlegung, ob der selbst eingeschlagene Lebensweg der richtige ist.
Vielleicht ist es gerade diese offengebliebene Antwort, die neue Perspektiven öffnet und zur eigenen Reflexion einlädt.
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