EIN KOMMENTAR ZU EINEM TANKA VON MARIE-LUISE SCHULZE FRENKING
Tony Böhle
Gegenverkehrzwei rundliche Damenmit Gehstockgewandetin Raubtiermuster
Die Felle von Raubtieren waren in vergangenen Zeiten einmal begehrte Kleidungsstücke. Nicht nur aufgrund ihres eigentlichen Zwecks, dem Schutz vor Kälte, sondern auch weil sie den sozialen Status ihres Trägers als mutigen und erfolgreichen Jäger hervorhoben. In Zeiten, in denen Pelz Mord ist, und die Wildtierbestände dezimiert, ist von den Raubtierfellen in Sachen Kleidung meist nur noch das Muster geblieben, als Tiger- oder Leoprint.
Insofern ist die geschilderte Szenerie mit einem deutlichen Schuss Humors gewürzt: "rundliche Damen / mit Gehstock" widersprechen in ihrer Physiognomie der Erscheinung der agilen und kraftvollen Erscheinung der Raubtiere, deren Muster sie tragen. Also lebt das Tanka nur von dieser Darstellung? Keineswegs! Man kann sich durchaus vorstellen, wie die beiden Damen mit scharfen Zungen, Beobachtungen, Tratsch und bissigen Kommentaren wie Raubtiere über die anderen Passanten herfallen, die ihnen im "Gegenverkehr" begegnen, mit jedem Atemzug urteilen und so ihre Raubtiermuster mit einiger Berechtigung tragen.
[zurück]